Alle Beiträge von Igelstroem

Premiumwandern (III)

Was am Konzept des Premiumwanderns Widerspruch herausfordert, ist nicht der Umstand, dass überhaupt Wege ausgesucht, markiert und gepflegt werden, sondern dass eine inszenierte Erlebnisverkettung die explorative Erfahrung der Landschaft ersetzen soll. Das Wandern wird dadurch zu einem heteronom organisierten Erlebniskonsum.

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Kirschsaft mit dem Jagdpächter (Langhagen – Blankenberg)

Mehrtageswanderung von 73 km Länge im Juli 2015

Mecklenburg, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2015. Dies sind die Abenteuer des Wanderers Igelstroem, der mit seinem 988 g schweren Zelt drei Tage unterwegs ist, um fremde Galaxien zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Wenige Zugstunden von der Hauptstadt entfernt dringt Igelstroem in Dörfer vor, die nie ein Wanderer zuvor gesehen hat …

Nee, noch mal von vorne: Die Wanderung beginnt dort, wo im März die vorige Tour beendet wurde, nämlich am Bahnhof Langhagen auf der Strecke Berlin-Rostock. Ziel ist der Bahnhof Blankenberg bei Warin. Dort endet vorläufig die Erkundung der mecklenburgischen Seenplatte, von der in der Einleitung des vorigen Berichts die Rede war. Oder zumindest ist Blankenberg der Endpunkt der Hypotenuse jenes rechtwinkligen Dreiecks, das ursprünglich die Leitfigur der Routenplanung war und jetzt in der Realisierung allmählich zerfällt. Als Nächstes könnte man nach Maßgabe dieses Dreiecks von Blankenberg nach Demmin (und von Demmin nach Feldberg) laufen, aber in Wirklichkeit wird wohl etwas anderes geschehen.

Den ganzen Bericht im ODS-Forum lesen (hier klicken)

Premiumwandern (II)

Wie war das eigentlich ›früher‹? Wenn man als Jugendlicher mit seinen Eltern wandern gegangen ist, fuhr man vielleicht mit dem Auto zu einem Wanderparkplatz und ging einen Rundweg, der nach Maßgabe des Zeitbudgets auf der Wanderkarte grob geplant und dann eventuell abgekürzt oder verlängert wurde.

Das konkrete ›Medium‹, in dem sich bei dieser Art des Wanderns so etwas wie ein Handlungsplan konstituieren kann, ist typischerweise eine topografische Karte mit Wanderwegen, und die Realitätsebene, in der sich der Handlungsplan realisiert, ist eine Landschaft, die von einem Wegenetz überzogen ist – oder vielmehr ein Wegenetz, das gleichsam über die Landschaft geworfen worden ist. Ein ›Weg‹ ist in diesem Zusammenhang jede für den Fußgängerverkehr geeignete ›Bahn‹ – trassiert oder bloß ausgetreten, Pfad oder Forststraße.

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Der Weg als ›Figur‹ – ein gestaltpsychologischer Denkansatz

Eine Phänomenologie des Wanderns hätte eine ganze Reihe von Kapiteln. Das erste würde vielleicht vom Gehen als leiblich-motorischer Aktivität handeln, das zweite davon, dass wir beim Gehen einem Raum ›einwohnen‹ (wie es bei Merleau-Ponty heißt), das dritte vielleicht von der ›Landschaft‹ als dem konkreten Raum, in dem gewandert wird.

Und irgendein weiteres Kapitel müsste vom Weg handeln, weil wir meistens auf Wegen wandern und weil wir typischerweise den Weg als ein signifikantes Phänomen aufnehmen: Er ist nicht einfach nur eine geometrische Struktur in dem Landschaftsbild, das wir vor uns sehen, sondern er erscheint von vornherein als etwas, das einen möglichen Bezug zu unserer Bewegung hat. Unsere Route setzt sich aus Wegstücken zusammen, aber diese sind für uns offenbar nicht alle gleich und jedenfalls auch nicht nur durch die messbare Länge unterschieden. Das Wegstück hat vielmehr jeweils einen Charakter, der sich beschreiben lässt, wenn man eine Sprache dafür findet.

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Würden Sie eine Emotion kaufen, wenn Sie einen Rucksack brauchen?

Das bereits erwähnte Interview mit dem früheren Deuter-Geschäftsführer Bernd Kullmann im FAZ-Magazin von Juni 2015 endet so:

»Also ich bin jetzt Markenbotschafter. Es geht ja nicht nur um die Vermittlung von Fakten, es geht immer auch um Emotionen. Als ich bei meinem ersten Führungsseminar die Marke präsentierte, hab’ ich gefragt: Was verkauft Deuter? Da haben mich alle komisch angeschaut und gesagt: Rucksäcke. Und ich hab’ gesagt: Falsch! Emotionen. Wir verkaufen Emotionen.«

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Bergsteigen als Lebensschule

Das FAZ-Magazin von Juni 2015 hat den Schwerpunkt ›Outdoor‹. Über das Heft als ganzes ist kein Wort zu verlieren, aber das lange Interview mit dem »Everest-Bergsteiger und ehemaligen Deuter-Geschäftsführer« Bernd Kullmann ist lesenswert, nämlich in einigen Zügen amüsant und in vieler Hinsicht ambivalent, was hier jetzt mal als eine positive Charakterisierung gelten darf. Es gibt aber Stellen in diesem Interview, die zu spitzen Bemerkungen reizen. Ich greife nur eine heraus.

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Was ist Wanderforschung und wie geht es ihr?

Philosophie von Leib und Raum

Für eine phänomenologisch orientierte Philosophie (also eine solche, die sich mit ›Sachen‹ in der Bewusstseinswelt des Menschen beschäftigt) könnte das Wandern ein dankbares Thema sein. Das Gehen als eine sehr elementare Tätigkeit des Menschen wird beim Wandern zur Hauptsache, und indem sich dieses Gehen in einer sogenannten Landschaft vollzieht, setzt sich das leiblich verfasste Menschenwesen beim Wandern in eine Beziehung zum Raum. Es ›erlebt‹ die Landschaft in ihrer tatsächlichen Ausdehnung, indem es sie auf einem Weg oder einer Route durchquert, ihre Materialität an den Füßen spürt und sie aus stets wechselnder Perspektive anschaut. Was ist Wanderforschung und wie geht es ihr? weiterlesen

Merino kratzt nicht und mein Arbeitsplatz ist mein Kampfplatz für den Frieden

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Ganz Gallien ist von den Römern besetzt. Merino kratzt nicht. Wanderschuhe mit Membranfutter sind wasserdicht und atmungsaktiv. Bundeswehr-Moleskinhosen sind unverwüstlich.

Das ist Allgemeinwissen, das durch Sprechen und Nachsprechen entsteht. Alle oben zitierten Sätze haben einen unwahren Kern: Sie erweisen sich nämlich in der Praxis als irreführend, wenn sie wörtlich genommen werden.

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Disproportionen in der Theorie des Ultraleichtwanderns

Für viele Wanderer, auch für mich, ist die Verringerung des Tragegewichts ein wichtiges Ausrüstungsthema. Mit weniger Gewicht wandert es sich angenehmer. Man ersetzt also, wenn es möglich ist, schwerere durch leichtere Ausrüstungsgegenstände, lässt Überflüssiges weg und sucht nach Gegenständen, die einen Mehrfachnutzen haben. Man benutzt eine grammgenaue Waage und wiegt und rechnet.

Das alles ist in mancher Hinsicht sinnvoll, aber die These dieses Beitrags ist, dass es in der Theorie des Ultraleichtwanderns und in ihrer praktischen Umsetzung ein erklärungsbedürftiges Ungleichgewicht gibt, nämlich einen unzweckmäßigen Vorrang einer physikalisch-technischen vor einer ergonomischen Betrachtungsweise.

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Naturerfahrung und Selbsttranszendenz – Variationen über das Glück in der Natur

(Vortrag auf dem Naturschutztag des Landes Mecklenburg-Vorpommern am 11. April 2015)

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Meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber Herr Dr. Stegemann, lieber Herr Dr. Sanftleben, liebe Naturfreundinnen und Naturfreunde!

Ganz zu Anfang möchte ich den Veranstalterinnen und Veranstaltern für die Einladung danken und für die etwas unverhoffte Gelegenheit, zu Ihnen und vielleicht mit Ihnen über das Glück in der Natur zu sprechen.

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