Die konkreten Aktionsformen und auch die konkreten politischen Forderungen radikaler Klimaaktivisten sind mitunter bizarr.
Man wirft mit Kartoffelbrei auf Kunstwerke. Oder man fordert einen ›Gesellschaftsrat‹ als Ersatzmodell repräsentativer Demokratie, wohl weil man annimmt, dass eine Mehrheit der Bevölkerung ›eigentlich‹ das Klima schützen will und nur durch die vorhandenen politischen Entscheidungsstrukturen davon abgehalten wird.
Ich würde dieser demokratietheoretischen Vermutung nicht zustimmen, aber darauf kommt es hier nicht an. Als historisierender Beobachter politischer Protestbewegungen ist man ohnehin daran gewöhnt, dass Aktionsformen skurril sein können, und in späteren Geschichtsbüchern wird die Frage im Mittelpunkt stehen, inwiefern und warum ein multipel gestalteter Protest letztlich erfolgreich oder erfolglos war.
Das punktuelle Blockieren des Autoverkehrs für eine gewisse Zeitspanne, indem man sich am Asphalt festklebt, gehört aus meiner Sicht zu den plausibleren Aktionsformen. Es handelt sich um eine symbolische Handlung, die dem Ziel untergeordnet ist, die Dominanz des motorisierten Individualverkehrs als ein Kernproblem ›unserer‹ kollektiven Lebensweise und als eine wesentliche Mitursache der Klimakrise anzusprechen.
Diese Aktionsform uriniert also gewissermaßen einem Elefanten ans Bein, der sowieso schon (und in Deutschland erst recht) unübersehbar im Raum steht. Einer solchen symbolischen Protestform unter sachlichen und thematischen Gesichtspunkten die Legitimität abzusprechen, wird schwierig, wenn man beispielsweise von der Perspektive des Umweltbundesamtes ausgeht und zu explorieren versucht, was eigentlich geschehen muss, um in Deutschland Klimaneutralität herbeizuführen. Der Verkehrssektor ist bekanntlich im Begriff, nichts zur Emissionsminderung beizutragen. Es ist insoweit vollkommen nachvollziehbar, dass der Protest sich genau hier, nämlich vor dem Kühlergrill eines Automobils positioniert.
Gleichwohl werden die Straßenblockaden von einer überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt und einige Staatsanwaltschaften bemühen sich mit großem Belastungseifer darum, aktivistische Gruppen zu kriminellen Vereinigungen zu stilisieren. Ich vermute, dass diese Kriminalisierungsstrategie einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhalten wird, aber auch darauf kommt es hier nicht an.
Die Ablehnung seitens der Bevölkerung kann auf zweierlei Weise gedeutet werden: Entweder mögen es die Leute nicht, wenn sie persönlich für ein Mobilitätsverhalten ›angegriffen‹ werden, das auf jahrzehntelangen strukturellen Fehlsteuerungen in der Verkehrspolitik beruht. Oder sie möchten die Früchte dieser Fehlsteuerung als ›motorisierte Freiheit‹ genießen und wehren sich folglich gegen den bloßen Gedanken, dass der abstrakt vielleicht noch befürwortete Klimaschutz, realistisch betrachtet, mit einer Verkehrswende einhergehen müsste und daher womöglich konkrete Auswirkungen auf ihr Mobilitätsverhalten hätte.
Betrachtet man das Spektrum der Lautäußerungen zum Klimaaktivismus (sei es im parteipolitischen Milieu, im Journalismus oder in der privaten Diskussion), fällt es nicht schwer, sich für eine dieser beiden Deutungen zu entscheiden.