Wildcampen

Der folgende Text ist ursprünglich als Gastbeitrag für ein Buch eines anderen Autors geschrieben worden. Detailfragen der rechtlichen Regelung des Wildzeltens treten in den Hintergrund, und zwar aus Gründen, die im Text selbst genannt werden. Wer an einer umfassenden Darstellung der Rechtslage in Deutschland (und in den einzelnen Bundesländern) interessiert ist, klickt hier.

Motive

Gründe, die einen zum Wildcampen, das heißt zum Zelten abseits von Campingplätzen veranlassen könnten, gibt es eine ganze Menge: Vielleicht sucht man das intensivere Naturerlebnis, vielleicht möchte man Wildtiere beobachten, vielleicht ist man irgendwie genervt von dem üblichen Treiben auf Campingplätzen. Manch einer nimmt Zelt und Schlafsack und gönnt sich ein sogenanntes Microadventure, also eine Kurztour mit einer Übernachtung in der heimischen Region. Vielleicht gibt es auch einfach keine Campingplätze in der Region, in die man reisen möchte. Vielleicht ist man zu dem Schluss gekommen, dass man den Komfort einer warmen Dusche nicht braucht, vielleicht möchte man endlich vollkommen kostenlos übernachten.

Wenn man als Fernwanderer oder Fernradler auf längeren Strecken unterwegs ist, hat das Wildcampen zudem den Vorteil, dass man die Etappenplanung sehr flexibel handhaben kann: Wenn man gegen Abend das Gefühl hat, genug geleistet zu haben, sucht man sich einen Schlafplatz in der Landschaft und schlägt sein Zelt auf.

Rechtsfragen

Ganz so einfach, wie ich es jetzt formuliert habe, ist es zwar nicht, aber es ist auch nicht gar so schwierig oder unmöglich, wie manche denken. Das erste Hindernis, das einem begegnen könnte, bevor man überhaupt die Wohnung verlassen hat, ist das Gesetz. In Norwegen, Schweden und Finnland gilt das Jedermannsrecht, das einem erlaubt, in der freien Landschaft und auch im Wald zu zelten, aber auch in diesen Ländern gibt es Einschränkungen, die sich zum Beispiel auf den Abstand zu bewohnten Häusern beziehen oder sich aus den besonderen Bestimmungen eines Nationalparks ergeben. Ähnlich liberal wie in Skandinavien geht es anscheinend in Ungarn zu, in einigen Mittelmeerländern sieht es hingegen schwierig aus.

Man tut also gut daran, sich über die Verhältnisse im Reiseland genau zu informieren. Wenn man das im Internet versucht, wird man oftmals feststellen, dass man widersprüchliche Auskünfte über die formale Gesetzeslage und die tatsächlichen Möglichkeiten bekommt. Das liegt daran, dass der Buchstabe des Gesetzes und die Rechtswirklichkeit zwei verschiedene Dinge sind. Mancherorts werden Verbote zum Beispiel aus Naturschutzgründen strikt durchgesetzt, und Zuwiderhandlungen können dann ziemlich kostspielig werden. Andernorts, vor allem in nicht besonders geschützten Gegenden mit dünner Besiedlung und wenig Touristen, mag es zwar ein generelles Verbot geben, aber das gelegentliche Wildcampen wird mehr oder weniger wohlwollend toleriert und interessiert eigentlich niemanden.

Die Kenntnis der Rechtslage ist also zwar nützlich, aber sie ist nicht alles. Viel wichtiger ist ein Verständnis dafür, dass das Zelten in einem von anderen Menschen, Tieren und Pflanzen bewohnten Land, auch wenn es unbemerkt bleibt, ein Akt der Anteilnahme an etwas Gemeinsamem ist. Darin, dass man in Deutschland normalerweise das Recht hat, die freie Landschaft und den Wald zu betreten und sich dort zum Beispiel zu Erholungszwecken aufzuhalten, spiegelt sich der soziale Gedanke wider, dass ›Landschaft‹ etwas gemeinsam Bewohntes und nicht nur privat Genutztes ist.

Diese Idee einer gemeinsamen Nutzung wird oft in der Weise missverstanden, dass sich jeder einen größtmöglichen Anteil des gemeinsamen Gutes nehmen darf, solange ihn niemand daran hindert. Das könnte beim Wildcampen zum Beispiel heißen, dass man sich für ein langes Wochenende mit guten Freunden und einem ausreichenden Getränkevorrat zum Feiern in den Wald begibt, dort ein paar kleine Bäumchen fällt, ein ordentliches Feuer macht und zuletzt einen Haufen unverrottbaren Verpackungsmüll hinterlässt. Die heute geltenden Verbote des Wildzeltens beruhen nicht zuletzt auf der Erfahrung, dass dergleichen eben vorkommt.

Der Gedanke, dass die Natur ein gemeinsames Gut ist, bedeutet aber eigentlich, dass jeder sich nur das ›herausnehmen‹ darf, was er allen anderen auch zugestehen könnte, ohne dass das gemeinsame Gut dabei Schaden nimmt. Und für das Wildzelten bedeutet dies, dass man möglichst keine Spuren hinterlässt, allen Müll wieder mitnimmt, keine Schäden an land- und forstwirtschaftlichen Kulturen anrichtet, wenn überhaupt dann äußerst vorsichtig mit Feuer umgeht und den Platz so wählt, dass Wildtiere nicht unnötig gestört werden. Dies alles ist eine Frage des Know-How, der Kenntnisse und der Vorbereitung. Schon vorher sollte man sich z.B. überlegen, wann und wie man seine Mahlzeiten zubereitet, wie viel Müll dabei entsteht und wie man den anschließend wieder mitnimmt. Manche Fernwanderer kochen sich ihr Abendessen gar nicht am Lagerplatz, sondern zu einem früheren Zeitpunkt an einem geeigneteren Ort, bevor sie sich einen Schlafplatz suchen. Das ist vor allem dann sinnvoll, wenn man vorhat, wirklich mitten im Wald sein Lager aufzuschlagen, wo man in der Regel kein Feuer machen und daher auch keinen Kocher betreiben sollte.

Offen oder versteckt?

Die Frage, wo man sich nun also mit seinem Zelt (oder auch mit Tarp und Biwaksack) niederlässt, ist buchstäblich ein weites Feld. Die schlechte Nachricht dabei ist, dass nicht jeder Platz, der auf einer Karte oder in Google Earth geeignet aussieht, auch wirklich geeignet ist. Man muss also, wenn man zu Fuß oder mit dem Rad in einer unbekannten Gegend unterwegs ist, ein bisschen Zeit für die Schlafplatzsuche einplanen und sollte damit nicht erst beginnen, wenn es bereits dunkel wird. Die gute Nachricht ist aber, dass man mit der Zeit Routine entwickelt. Es wird also einfacher, wenn man es öfter macht.

Zeltplatz am Wanderweg

Vorher sollte man vielleicht für sich selbst die Frage klären, ob man eher versteckt oder mehr oder weniger offen wildzelten möchte. Das ist eine Frage, die sich für Frauen unter Umständen anders darstellen kann als für Männer, und meine eigene Perspektive ist sozusagen die eines manchmal ängstlichen Mannes.

Nicht selten liest man in Internetforen den Ratschlag »Mach es einfach, aber mach es so, dass es niemand sieht, und rede nicht darüber.« Das klingt dann so, als ob das Wildzelten als solches verboten und unmoralisch wäre, so dass man es nur heimlich tun kann. Aber ganz so ist es eben nicht. Das Aufschlagen eines Zeltes in einer bewohnten Landschaft ist zwar eine soziale Handlung, die nicht nur eventuell durch Gesetze geregelt ist, sondern auch Interessen von Einheimischen berührt, zum Beispiel die Interessen von Bauern, Waldbesitzern oder Jagdpächtern. Dass man als Wanderer in einer Landschaft unterwegs ist und dort im Freien übernachtet, bedeutet andererseits aber auch, dass man sich für eine Landschaft interessiert, die für die in ihr lebenden Menschen ›Heimat‹ ist. Sie müssen sich nicht zwangsläufig gestört fühlen; sie könnten sich auch besucht fühlen. Daher kommt es, dass man mit dem erklärten Ansinnen, für eine Nacht irgendwo ein Zelt aufzuschlagen, häufig gar nicht so sehr auf Misstrauen, sondern auf Interesse, Respekt und Unterstützung stößt – zumindest wenn die Einheimischen nicht vorher schon schlechte Erfahrungen mit Wildcampern gemacht haben.

Die meisten Menschen, die man unterwegs trifft, kennen die genaue Rechtslage in ihrer Region (z.B. in ihrem Bundesland) gar nicht und interessieren sich auch nicht dafür – das ist die Erfahrung, die man macht, wenn man das Thema unterwegs offen anspricht. Sie interessieren sich aber oft dafür, dass man keinen Müll hinterlässt und den Wald nicht niederbrennt. »Also wenn Sie Ihr Zelt nicht gerade ins Naturschutzgebiet stellen und kein Feuer machen, wird ja keiner was sagen« – ein oft gehörter Satz. Nicht selten kommt es auch vor, dass man einen geeigneten Platz beim Bauern auf der Wiese angeboten bekommt, wenn man erklärt, was man vorhat. Man kann sich also ruhig offensiv verhalten und mit den Einheimischen ehrlich über seine Absichten sprechen, auch wenn es gerade der Förster oder der Jagdpächter ist, der einem im Wald begegnet. Die Bilanz dieser Strategie ist jedenfalls positiv, solange man keine Forderungen stellt, sondern seine Motive erklärt. Der Ton macht die Musik, und wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.

Viele Leute, die man draußen trifft, haben Verständnis dafür, dass sich jemand auch nachts in der Natur aufhalten will. Und falls es einmal anders sein sollte und man einen Jagdpächter trifft, der sich durch die Anwesenheit eines anderen Menschen in seinem Revier gestört fühlt, sollte man sich möglichst nicht mit einer Diskussion über Rechtsfragen aufhalten. Denn in der Zeit, die man zu deren Klärung benötigen würde, kann man als Wanderer schon einige Kilometer weitergelaufen sein.

Schutz der Natur

Nationalpark und Naturschutzgebiet sind und bleiben beim Wildcampen ›verbotene Zonen‹, hier darf in der Regel auch nicht mit dem Biwaksack genächtigt werden. Man sollte also, wenn man draußen schlafen will, entsprechendes aktuelles Kartenmaterial benutzen, in dem solche Schutzgebiete verzeichnet sind. Verstöße können teuer werden, auch wenn sie nicht immer geahndet werden und man vielleicht unentdeckt bleibt. Vor allem sollte man sich gut überlegen, weswegen man selbst draußen ist. Wahrscheinlich geht es dabei um eine Beziehung zur Natur. Die Bestimmungen eines Schutzgebiets sind nicht nur missgünstige Verbote seitens einer Obrigkeit, gegen die man sich immer mal auflehnen sollte, sondern Versuche, den Bedürfnissen einer natürlichen Lebensgemeinschaft Rechnung zu tragen. Das ist ein Anliegen, das man beim Wildcampen immer im Auge behalten sollte, auch wenn gerade keine Behörde im Spiel ist.

In der Landschaft einen Platz finden

Die Suche nach einem konkreten Zeltplatz hängt im Übrigen natürlich stark von der Landschaft ab, in der man sich befindet. In manchen Gegenden findet man leicht eine gemähte Heuwiese, eine Brachfläche oder einen Grasstreifen zwischen Waldrand und Feld, der eben und trocken genug ist, um ein Zelt aufzustellen. Es kann aber auch sein, dass man kaum einen Platz findet, weil die Wiesen als Weiden eingezäunt sind, die Maisfelder bis unmittelbar an den Waldrand reichen oder die Bauernhöfe zu nah beieinander liegen. Unter diesen Umständen wird man vielleicht eher ein Waldstück aufsuchen, um Konflikte zu vermeiden.

Wenn irgend möglich, hält man einen Kilometer oder wenigstens einige hundert Meter Abstand von bewohnten Häusern. Dass man von einem Jagdhochsitz aus gesehen werden kann, ist im Prinzip unerwünscht und fühlt sich eventuell unbehaglich an, kann aber im Einzelfall auch mal unvermeidlich sein. Die meisten dieser Hochsitze werden nur gelegentlich genutzt, und direkte Begegnungen mit Jägern sind zwar denkbar, kommen aber in der Praxis nicht so häufig vor, wie man vielleicht denken könnte. Das Risiko besteht dann auch nicht so sehr darin, dass man versehentlich erschossen werden könnte, denn der Jäger schießt normalerweise nur auf Ziele, die er klar erkennen kann. Wahrscheinlicher ist, dass man dem Jagdausübenden den Abend verdirbt und folglich mit seiner schlechten Laune konfrontiert ist.

Brombeeren und andere Gefahren

Bevor man am gewählten Platz mit dem Zeltaufbau beginnt, sollte man den Untergrund ein bisschen untersuchen und eventuell spitze Steine, Zweige, Brombeerranken und ähnliche Dinge, die den Zeltboden beschädigen könnten, entfernen. Im Wald empfiehlt sich ein Blick nach oben mit der Überlegung, ob bei starkem Wind eventuell tote Äste auf das Zelt fallen könnten.

Bei Gewittergefahr ist außerdem die Möglichkeit eines Blitzeinschlags in der Nähe zu berücksichtigen. Unter diesem Aspekt wäre es am sichersten, das Zelt in einer Fichtenschonung aufzuschlagen, deren Bäume das Zelt um einiges überragen, aber noch nicht so groß sind, dass sie vom Wind aufs Zelt geworfen werden können. Günstig wäre in diesem Fall auch jeder andere Waldstreifen mit relativ niedrigen, jungen Bäumen, der von höherem Wald umgeben ist.

Wenn man bei Gewittergefahr außerhalb des Waldes zeltet, sollte das Zelt selbstverständlich nicht exponiert im freien Gelände und erst recht nicht unter den Ästen eines exponierten Baumes stehen. Höhere Bäume in der Umgebung (etwa ein Waldrand) bieten immer nur einen relativen Schutz, das heißt sie verringern die Wahrscheinlichkeit eines Blitzeinschlags in das Zelt oder des Auftretens einer Schrittspannung im Boden, sofern sie weder zu weit entfernt noch zu nah am Zelt stehen. Das ist bewusst ungenau formuliert, denn das Risiko ist im Einzelnen nicht vollkommen berechenbar, und das Zelt selbst bietet, da es kein Faradayscher Käfig ist, jedenfalls keinen Schutz.

Wenn man nachts vom Gewitter überrascht wird und es abseits des Zeltes einen wesentlich sichereren Platz gibt, sollte man sich gegebenenfalls die Regenjacke greifen und das Zelt verlassen. Besser ist es aber, sich vorher schon die Wettervorhersage anzuschauen und bei der Zeltplatzsuche entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Das gilt natürlich umso mehr, wenn man in Gebirgsregionen biwakiert.

Feuchtigkeit und Pragmatismus

Bei gutem Wetter hat man hingegen eher Anlass, sich über die morgendliche Sonnenexposition des Zeltes und über Tau und Kondenswasser Gedanken zu machen. Im Sommer wird man den Platz nach Möglichkeit so wählen, dass er bei Sonnenaufgang noch im Schatten liegt, im Herbst und Winter ist man hingegen eher froh über etwas Morgensonne.

Wenn man das Nasswerden des Zeltes durch Tau und Kondenswasser begrenzen will, sollte man feuchte Niederungen und die Nähe von Gewässern meiden. Unter dem Blätterdach eines Waldes kühlt die Zelthaut nachts weniger aus als unter freiem Himmel; entsprechend bleibt das Zelt etwas trockener. Grundsätzlich lässt sich aber im Winterhalbjahr und auch noch in den Übergangsjahreszeiten Kondensbildung nicht gänzlich vermeiden; die geschickte Wahl des Zeltplatzes hat nur Einfluss auf die Menge. Wenn man mehrere Tage unterwegs ist, muss man eventuell tagsüber versuchen, den Schlafsack und das Zelt während einer Pause zu lüften und zu trocknen; jedenfalls wird man sich in vielen Fällen damit morgens beim Aufbruch nicht allzu lange aufhalten wollen.

Denn dass man ›wild‹ zeltet, bedeutet unter Umständen auch, dass man bereits früh am Morgen das Lager abbaut. Beim Wandern gewinnt man dadurch leicht zwei Stunden Zeit im Vergleich mit einer Übernachtung auf dem Campingplatz; man hat aber auch Anlass, seine diversen Verrichtungen präziser und in anderer Reihenfolge zu organisieren. So kann es zum Beispiel (wenn es nicht gerade regnet) sinnvoll sein, zuerst das Zelt abzubauen und die Ausrüstung größtenteils zusammenzupacken, bevor man das Frühstück zubereitet. Je nach Lage des Übernachtungsplatzes wird man eventuell das Frühstück überhaupt auf später verschieben, zumal wenn man direkt am Zeltplatz keinen Kocher verwenden kann. Das Interesse an einem schnellen Auf- und Abbau des Lagers unter manchmal ungünstigen Lichtverhältnissen kann außerdem ein Anlass sein, eine strengere Ordnung im Rucksack und im Zelt zu entwickeln, als sie auf dem Campingplatz nötig wäre. Die entsprechenden Routinen, die zur eigenen Ausrüstung passen, entstehen aber erst in der Praxis.

Der Lärm der Natur

Wenn man zum ersten Mal wild zeltet, sollte man sich darauf einstellen, dass man sehr unruhig schläft. Vor allem im Wald und in Waldnähe ist man mit einer Vielzahl unbekannter Geräusche konfrontiert, deren Verursacher und Verursacherinnen oft nicht sichtbar sind. Man tut deshalb gut daran, sich vorzubereiten, indem man sich einige Tiergeräusche in Internet-Videos anhört. Dazu gehört zum Beispiel das sogenannte ›Schrecken‹ des Rehbocks, das wie ein kurzes, etwas hysterisches heiseres Bellen klingt. Sehr beunruhigend klingt auch der Ranzschrei des (weiblichen) Fuchses; dagegen ist der Ruf des Waldkauzes schon fast eine Wohltat, und wenn eine Nachtigall in der Nähe des Lagerplatzes die ganze Nacht singt, hat man sozusagen Glück, denn sie lenkt von anderen Geräuschen ab. Manchmal hört man das Husten und Schnaufen des Igels, seltener auch mal das sonore Brummen eines Dachses. Im Herbst können die Brunftgeräusche des Rotwildes schlafstörend wirksam werden. Ein regelmäßiges Fiepen, das einem elektronischen Wecker ähnelt, könnte von einem Rehkitz stammen (dann sollte man vor allem Abstand halten). Auch bedächtige Schritte im Laub weisen meistens auf die Nähe von Rehwild hin.

Gefährlich ist das alles in Mitteleuropa nicht – zumindest solange man es nicht mit Großraubtieren wie Bären zu tun hat. Man sollte sich nur klar darüber sein, dass nachtaktive Wildtiere wie z.B. Wildschweine in der Dämmerung und während der Nacht zwischen ihren Tageseinständen und ihren Futterplätzen unterwegs sind und dabei je nach Windrichtung dem Lagerplatz sehr nahe kommen können. Wenn man die Begegnung mit Schwarzwild eher vermeiden will, kann man zum Beispiel vor dem Schlafengehen rund um den Lagerplatz etwas Urin verteilen, um sich bemerkbar zu machen.

Wo wir gerade bei Tieren sind: Das gefährlichste Wildtier in Deutschland ist bekanntlich die Zecke, die zwar keine Geräusche macht, aber als Überträgerin der Borreliose und der Hirnhautentzündung FSME in Erscheinung tritt. Das Thema kann hier nicht ausführlich dargestellt werden; beim Wildzelten sollte aber speziell beachtet werden, dass man das Risiko eines Zeckenstichs durch die Wahl des Lagerplatzes zumindest beeinflussen kann. Zecken sind relativ trockenheitsempfindlich. Unter diesem Aspekt ist ein Lagerplatz auf einer gemähten Wiese, die tagsüber der Sonne ausgesetzt ist, jedenfalls weniger riskant als hohes Gras oder Moos im schattigen, dauerfeuchten Wald.

Trekkinglagerplätze

Ratschläge dieser Art könnte man noch viele geben, sie wären auch je nach Land und Landschaft weiter zu spezifizieren, denn ein Biwak im Hochgebirge ist etwas anderes als eine Zeltnacht im Sauerland, und in Skandinavien zeltet es sich anders als am Mittelmeer. Das meiste, was ich hier aufgeschrieben habe, gilt zunächst einmal für Deutschland oder Mitteleuropa. In Deutschland gibt es inzwischen in manchen Gegenden (z.B. im Pfälzer Wald, in der Eifel, im Schwarzwald und im Spessart) auch die Möglichkeit, legal auf eingerichteten Naturlagerplätzen zu zelten. Das ist dann ein Kompromiss zwischen Campingplatz und Wildcampen, den viele attraktiv finden – aber die charakteristische Spontaneität des Wildcampens entfällt jedenfalls, wenn man seine Route planen und den Naturlagerplatz vorher mittels einer App buchen muss. Einerseits kann ein solches Angebot die Durchquerung von Gebieten erleichtern, in denen das Übernachten im Freien ansonsten aus Naturschutzgründen verboten ist. Andererseits ist das digital buchbare Naturerlebnis gleichsam eine Fußnote zu den Themen ›Kommodifizierung der Natur‹ und ›Digitale Perfektionierung der verwalteten Welt‹.

Eine Art Fazit

Der eigentliche Reiz des ›wilden‹ Schlafens in der Natur liegt darin, dass man sich mitten in der Landschaft gleichsam fallen lassen kann und dabei vielleicht spürt, dass man von der Natur ›aufgefangen‹ wird, weil man selbst ein Naturwesen ist. Das ist kein Einswerden mit der Natur, aber es ist vielleicht eine Einübung in ein intimeres und zugleich unkitschiges Naturverhältnis, in dem Nähe und Distanz zur Natur neu austariert werden müssen.

Wenn man allein ist und es rundherum dunkel wird, ist man ausgesetzt – beim Schlafen ohne Zelt ist das noch deutlicher. Das ist der Moment, in dem die Natur aufhört, ein touristisch konsumierbares Gut zu sein, und sich als ein Gegenüber bemerkbar macht, dem man auf Augenhöhe begegnet. Diese intensive Präsenzerfahrung ist zunächst unheimlich. Aber dem Ausgesetztsein entspricht eine wachsende Kompetenz, ein Umgehenkönnen des etwas sonderbaren Naturwesens ›Mensch‹ mit der Natur.

Deshalb handelt es sich in allen Teilen um eine Übung: Was ist der für mich richtige Platz, welche Ausrüstung brauche ich dafür wirklich, wie sorge ich für mich, wie schone ich meine Umgebung, welche Routinen entwickle ich in der Wiederholung. Weil es eine Übung ist, kann man damit irgendwie anfangen, und je länger man es macht, desto einfacher und behaglicher wird es.

3 Gedanken zu „Wildcampen

  1. Was für ein schöner Beitrag, hübsch auf den Punkt gebracht! Naturerfahrung auf Augenhöhe statt Einswerden: meine Rede! Perfekt zur Einstimmung darauf, dass ich die nächsten Nächte mal wieder draußen verbringen darf 🙂

  2. Vielen Dank dafür (meine diffusen) Gedanken so klar und schön auf den Punkt gebracht zu haben.

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