Zweitageswanderung von 40 km Länge im Oktober 2017
Diese zweitägige Tour fällt unter die Kategorie ›Erkundung vernachlässigter Landschaften‹, d.h. es geht darum, eine wenig frequentierte, für Tagestouren eher ungünstige Gegend zu Fuß zu durchqueren und dabei angenehme Wege, interessante historische Anschauungsobjekte und nicht zuletzt geeignete Übernachtungsplätze zu finden und eventuell zu dokumentieren.
Die nördliche Uckermark, naturräumlich zum Rückland der mecklenburgischen Seenplatte zählend, ist eine dieser vernachlässigten Landschaften. Ich bin in Nechlin gestartet (dem letzten brandenburgischen Haltepunkt auf der Strecke Berlin – Angermünde – Stralsund) und hatte vor, entweder in drei Tagen nach Blankensee (einem Haltepunkt auf der Bahnstrecke Neustrelitz – Neubrandenburg) oder in vier Tagen via Feldberg nach Fürstenberg/Havel zu wandern. Aus den in einem ODS-Thread diskutierten Ausrüstungsgründen habe ich diesen Plan nach der ersten Nacht geändert und bin stattdessen nach Prenzlau quasi zurückgelaufen.
Deshalb reduziert sich die Durchquerung der Region jetzt auf einen Übernachtungsausflug zur sogenannten Wüsten Kirche bei Rittgarten, die ich seit langem als interessantes Besichtigungsziel und zugleich als möglichen Übernachtungsplatz im Auge hatte. Wichtigste Inspiration dafür waren zwei Reiseberichte des Users Hugimon im ODS-Forum:
https://www.outdoorseiten.net/forum/…-der-Uckermark
https://www.outdoorseiten.net/forum/…kermark-Teil-2
Erster Tag (Mittwoch, 25.10.2017)
Start bei sehr mildem, nassem Wetter morgens um zehn. Es beginnt leicht zu regnen, aber nicht so sehr, dass man unbedingt die Regenhose überziehen müsste. Später bessert sich das Wetter, wie man an den Bildern sehen kann. Nur kurz vor dem Ziel werde ich noch einmal von einem Schauer erreicht. Etwas windig ist es allerdings den ganzen Tag.
Die obigen Bilder sind aber Extrembilder. Das Landschaftsbild ist mitunter durchaus idyllisch oder ersatzweise romantisch-melancholisch. Der Waldanteil ist geringer als in anderen Teilen Brandenburgs, deshalb hat man oft weite Ausblicke, genauso wie im mecklenburgischen Binnenland.
Die Wüste Kirche Rittgarten liegt nordwestlich des Dorfes Rittgarten, eigentlich zwischen den Ortschaften Wittstock und Augustfelde. Es handelt sich um eine Dorfkirche aus dem 13. Jahrhundert, die schon im 14. oder in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts – vermutlich im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Brandenburg und Mecklenburg – zerstört worden ist. Man muss sich die Quellenlage (nach meinem Eindruck aus dem Internet) so vorstellen: Irgendwann wird das Dorf und ggf. die Kirche erwähnt; 150 Jahre später sind Dorf und Feldmark in irgendeinem Dokument als »wüst« aufgelistet. Dazwischen liegen drei oder vier Kriege, die als Ursache in Frage kommen.
Von einer Wehrkirche zu sprechen (wie es gelegentlich geschieht), ist eine der üblichen heimatkundlichen Übertreibungen, Fluchtkirche wäre der angemessenere Begriff. Das Gebäude ist etwa 20 x 7 Meter groß mit einem querrechteckigen Turm im Westen.
Auf Fotos im Internet sieht es meist so aus, als stünde die Ruine frei sichtbar in der Landschaft, und auch in einem Kommentar zu den oben verlinkten ODS-Reiseberichten heißt es, sie sei schon von Weitem zu sehen. Das habe ich so nicht bestätigt gefunden; ich bin in der beginnenden Dämmerung sogar fast vorbeigelaufen. Die Ruine steht zwar auf einem flachen Hügel, ist aber von einigen größeren Bäumen umgeben und außerdem inzwischen stärker ›verbuscht‹, als man nach den älteren Bildern denken könnte. Auch einen angelegten Rastplatz, von dem im Internet vereinzelt die Rede ist, gibt es inzwischen nicht mehr. Vom Feldweg her führen zugewachsene Pfade zu den verschiedenen Eingängen (Westportal, Priesterpforte und zwei weitere Seiteneingänge). Die Reste der Gebäudewand sind im Bereich des Westturms etwa sieben Meter hoch, am östlichen Ende hingegen sehr niedrig. Theoretisch könnte man über die Südmauer ohne besondere Ausrüstung bis auf die westliche Stirnwand hinaufklettern, aber es wäre natürlich gefährlich.
Das Areal im Inneren ist ebenfalls stark verkrautet, mit einzelnen baumähnlichen Gewächsen (z.B. Ahorn) im Bereich des Westturms; ferner ist der Boden insgesamt steinig und uneben. Einen brauchbaren Lagerplatz findet man somit nur in der Nordostecke, auch hier ist das Gras hüfthoch. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass es sich um einen wenig besuchten Ort handelt. Übrigens habe ich auch keinen Müll vorgefunden.
Außerhalb des Gebäudes finden sich noch Reste einer früheren Friedhofsmauer, teilweise ist die Vegetation zwischen dem Gebäude und dieser Mauer allerdings sehr dicht und dornig. Platz für ein Zelt gäbe es am Feldrand auf der südöstlichen Seite des Hügels, dort allerdings nah am Feldweg.
Ich selber habe die Nacht ohne Zelt innerhalb der Ruine verbracht, mit Biwaksack und einem Mikro-Tarp als Kopfschutz für den Fall, dass es zu regnen begonnen hätte. Tatsächlich war die Nacht zeitweise sternenklar bei relativ milden Temperaturen und frischem Westwind. Die Umgebung war allerdings noch sehr nass vom vorhergehenden Regen, und unter diesen Bedingungen findet man hier keinen Platz, an dem man etwa bequem sitzen und kochen könnte.
Bilder der Kirchenruine
Zweiter Tag (Donnerstag, 26.10.2017)
Der Rückweg nach Prenzlau führt über die Dörfer Rittgarten, Falkenhagen, Basedow und Klinkow.
Zwischen Rittgarten und Falkenhagen ist in der Freizeitkarte 1:50.000 des Landesvermessungsamtes ein Feldweg verzeichnet, der zunächst ganz anheimelnd in einem Knick, d.h. in einem Gehölzstreifen verläuft, im weiteren Verlauf aber mangels Nutzung fast ganz verschwindet. Ich bin dann nach rechts auf den Feldrand ausgewichen. Jenseits der beiden querlaufenden Knicke taucht der Weg dann bald wieder auf. Das ist in OSM zutreffend dargestellt. Zu Fuß kommt man jedenfalls irgendwie durch, mit dem Rad wäre es kaum möglich.
Zum Schluss laufe ich noch einmal einige Kilometer auf Asphalt, insbesondere auf dem straßenbegleitenden Radweg der B198. Hier habe ich mein einziges Gespräch mit einem Einheimischen. Ich sitze an einem Rastplatz (der hier für die Fernradler eingerichtet ist), und ein Fußgänger mit Plastiktüte setzt sich dazu. Er weist auf meinen Rucksack und fragt: »Na, Großeinkauf gemacht?« Ich erkläre ihm, wie es wirklich ist. Er selbst geht zu Fuß von Prenzlau nach Dedelow, das sind etwa sieben Kilometer. Schon sehr ungewöhnlich für brandenburgische Verhältnisse. Aber vielleicht hat er vorübergehend keinen Führerschein; das ist ja immer die erste Assoziation, die man hat, wenn man in diesen Gegenden jemanden zu Fuß die Straße entlanggehen sieht.
Darstellung der Gesamtroute: