Donnerstag, 6. Juli 2017 (22 km)
Die Schorfheide gehört zu den Regionen in Brandenburg, über die man zwar etwas weiß (etwa dass Göring und Honecker hier der Jagd nachgegangen sind), die man aber normalerweise nicht zu Fuß durchquert. Der Wald ist ausgedehnt und mitunter etwas langweilig, markierte Wanderwege gibt es wenige und von der Qualität der verfügbaren Wanderkarten wird unten noch die Rede sein.
Wenn man mit der Bahn anreist, bietet es sich an, mit der ›Heidekrautbahn‹ von Berlin-Karow nach Groß Schönebeck zu fahren und von dort nach Joachimsthal zu laufen. Auf diese Weise durchquert man den südöstlichen Teil der Schorfheide. Andere Querungen (etwa von Zehdenick nach Joachimsthal oder von Groß Schönebeck nach Templin) sind für eine Tageswanderung tendenziell zu lang, wenn man nicht extrem sportlich ist.
Die oben nachgezeichnete Route folgt zunächst der Kopfsteinpflasterstraße Richtung Joachimsthal. Nach einer Weile erreicht man Honeckers Jagdhaus Wildfang, das rechts etwas abseits der Straße liegt. Ich verpasse es, weil ich mich nicht rechtzeitig über Besichtigungsziele informiert habe und also nichts davon weiß. Stattdessen verschwinde ich bald darauf mit dem Kompass in der Hand auf einen Nebenweg, folge in etwa dem Nordufer des Kleinen Pinnowsees, mache eine Pause an der Silke-Buche (schön gelegener Rastplatz mit Tisch und Bänken am Rand einer Lichtung) und laufe dann Richtung Jagdhaus Hubertusstock. Dort muss man aber nicht gewesen sein, denn das Gelände ist ohnehin weiträumig eingezäunt.
Ich wende mich also nach Norden und suche mir den Weg zum Forsthaus Kienhorst. Alle gedruckten Karten, auch noch die landesamtliche Freizeitkarte von 2013, suggerieren hier die Existenz eines befestigten bzw. befahrbaren Weges. Tatsächlich ist dieser Weg teilweise zugewachsen und man muss schon ziemlich genau mit Kompass und Karte navigieren, um ihn wiederzufinden. Die zugewachsene Wegstrecke ist in OSM-basierten Karten gar nicht verzeichnet; infolgedessen ist auch meine obige (bei gpsies.com nachträglich erzeugte) digitale Route in diesem Bereich nicht exakt. Letztlich komme ich aber beim Forsthaus heraus und folge auf den letzten Kilometern bis Joachimsthal wieder der von Groß Schönebeck herkommenden Kopfsteinpflasterstraße, die ich am Mittag verlassen habe.
In Joachimsthal habe ich am Bahnhof fast eine Stunde Zeit und verstricke mich in ein ausführliches Gespräch mit dem Fahrdienstleiter. Ich darf mir in seinem Dienstraum das ›Stellwerk‹ von 1939 anschauen und erfahre ziemlich viel über die Eisenbahngeschichte der Region. Damit endet eine Wanderung, die mich ansonsten kaum mit Menschen in Kontakt gebracht hat. Denn ich habe unterwegs keine Ortschaften durchquert und nur an den Rändern des Gebiets (bei Groß Schönebeck und in der Nähe des Jagdhauses Hubertusstock) vereinzelt Pilzsammler getroffen.
Bilderstrecke (in chronologischer Folge)
Kartenkritik
Die kartographische Situation ist erkennbar problematisch. Die von mir benutzte Karte ist eine Freizeitkarte 1:60.000 des (inzwischen insolventen) Verlags SLV, die sich aufgrund des Maßstabs ohnehin nicht besonders zum Wandern eignet und außerdem mindestens 20 Jahre alt sein dürfte. Gleichwohl war es möglich, die meisten in der Natur erkennbaren Wege auf dieser Karte zu identifizieren. Was allerdings auffällt, ist, dass sich die Wegehierarchie häufig geändert hat, das heißt: Einzelne auf der Karte als untergeordnet verzeichnete Wege sind ausgebaut worden, andere vermeintliche Hauptwege hingegen sind inzwischen mehr oder minder zugewachsen. Das war zumindest meine sporadische Beobachtung.
Von der topographischen Freizeitkarte 1:30.000 des ehemaligen Landesvermessungsamtes – jetzt Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg (LGB) – sollte man am ehesten Abhilfe erwarten, aber auch dort findet man, wie oben schon erwähnt, die Wegehierarchie streckenweise falsch dargestellt.
Zudem hat diese Karte den bekannten Nachteil, dass die farbigen touristischen Markierungen in der Karte viel zu aufdringlich gestaltet sind und vielerorts (insbesondere im Bereich von Ortschaften und ›Points of Interest‹) die grafische Darstellung des Wegenetzes zukleistern. Daran kann man sehr schön erkennen, dass die Kartographen des Landesbetriebs selbst keine Wanderer sind. Die Karten des mecklenburgischen Klemmer-Verlags zeigen, dass es auch anders möglich ist: Auch dort ist die farbige Wanderwegezeichnung zwar zu dick aufgetragen – die Wege sind nun mal nicht 50 oder 100 Meter breit –, aber wenigstens werden die touristischen Symbole (für Gaststätten und dergleichen) so geschickt platziert, dass man in den Ortschaften noch ungefähr den Straßenverlauf erkennen kann.
Bei der LGB-Freizeitkarte ist die generelle Tendenz zur plakativen Verdeckung der topographischen Gegebenheiten inzwischen so stark, dass man sich fragt, wie man sich mit diesem Instrument noch zu Fuß in einer realen Landschaft zurechtfinden soll bzw. an welchen Adressaten sich das Produkt eigentlich richtet.
Das könnte einen auf die Idee bringen, anstelle der Freizeitkarte die ordinäre TK25 zu verwenden. Und hier ist immerhin ein echter Fortschritt zu vermelden: Im Geobroker-Webshop der LGB findet sich jetzt die früher immer vermisste zoombare, in eine digitale Karte eingeblendete Darstellung des Blattschnitts für die verschiedenen Kartenserien. Dadurch wird die Auswahl des benötigten Kartenblatts enorm erleichtert.