Wanderer sind besonders naturverbunden. Und weil die Wildnis, die unberührte Natur, von ihren Wohnplätzen mitunter weit entfernt ist, müssen sie öfters eine längere Anreise mit einem motorisierten Verkehrsmittel auf sich nehmen. Die psychische Umweltbilanz dieser Reiseform neutralisiert sich dadurch, dass sich in der eigenen Gefühlsökonomie beispielsweise Kerosin und Wildnissehnsucht problemlos miteinander verrechnen lassen; die bei der Anreise erzeugten Emissionen sind einfach der Preis, den ›die Natur‹ dafür zahlt, dass sie besonders geliebt wird.
Klammert man die Anreise aus, ist das Wandern allerdings eine nahezu klimaneutrale Form der Mobilität. Man geht eben zu Fuß, angetrieben von einem biologischen Verbrennungsmotor, der relativ kleine Mengen Fett und Kohlenhydrate und solche Dinge verbrennt. Das dabei entstehende Kohlendioxid wird friedvoll keuchend ausgeschieden.
Zu den unterschätzten Eigenschaften dieser Mobilitätsform gehört, dass sich der Aufwand für die Anreise beliebig abwärts skalieren lässt. Das heißt: Eine Wanderung gleich welcher Dauer könnte prinzipiell an der eigenen Haustür beginnen. Beim Wandern im touristischen Sinne geschieht das nur sehr selten; denn zumeist geht es darum, attraktive, eventuell spektakuläre Landschaften zu erkunden und in einem vorgegebenen Zeitrahmen das Naturerlebnis zu maximieren. Entsprechend lässt sich der Aufwand für die Anreise nicht nur abwärts, sondern auch aufwärts skalieren: Für das perfekte Naturerlebnis reist man eventuell schnell und weit.
Wandern ist angesichts dieser höchst unterschiedlichen Emissionswirkungen jedenfalls nicht per se ›klimaschonend‹. Das Verhältnis der Themen ›Wandern‹ und ›Klimaschutz‹ bleibt entsprechend vage, solange touristische Gewohnheiten im Zentrum der Betrachtung stehen. Aber es liegt ein Reiz darin, zu überlegen, welche Möglichkeiten sich auftun, wenn man die Perspektive etwas verändert.
Die Frage könnte nämlich lauten: Wohin gelangt man und wie weit kommt man (geografisch ebenso wie ›mental‹), wenn man anstelle der Erlebnismaximierung das Zu-Fuß-Gehen selbst in den Mittelpunkt stellt – sich also darauf kapriziert, dass diese ›Mobilität aus eigener Kraft‹, dieses ›Nicht-Angewiesensein auf eine Mobilitätsmaschine‹, das Wesentliche, nämlich ›Selbstzweckhafte‹ am Wandern sei?
Diese Frage ist glücklicherweise offen, und mit ihr auch die Frage, ob es sich um einen Verlust oder einen Gewinn handelt. Denn mit der ›Abrüstung‹ oder Herabstufung der ›Destination‹ geht auch die Abrüstung von programmierter zu bloß beiläufiger Erfahrung einher. Man erlebt also nicht mehr das, was andere an diesem oder jenem beliebten Wanderziel auch schon erlebt haben und weswegen sie vermutlich hergekommen sind, sondern man erlebt nur irgendetwas an einem Ort, den womöglich ›nie zuvor ein Wanderer gesehen hat‹. Das muss man dann zu schätzen wissen, um es genießen zu können.