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Klima-Shortcut #7: Die Ampel als kongeniales Desaster

Das totale Versagen der Ampelregierung könnte einen fassungslos machen.

Eigentlich war die Konstellation günstig und attraktiv: Die Grünen und die FDP hätten sich zu einer Klimapolitik zusammenfinden können, in der marktwirtschaftliche Instrumente wie der Emissionshandel mit eventuell erforderlichen regulativen Instrumenten kombiniert werden, und die SPD sorgt nötigenfalls für die soziale Komponente.

Im Wahlprogramm der FDP war die Fokussierung auf den Emissionshandel und das Klimageld als Ausgleich bereits formuliert. Von den Grünen erwartet man habituell eher Regulierungen und Förderprogramme. Aber wenn die deutschen Dekarbonisierungsziele erreicht werden sollen, müssen ohnehin beide Maßnahmenregister zusammenwirken. Eine Zusammenarbeit der Parteien war also naheliegend.

Sowohl die Emissionsbepreisung als auch jede regulatorische Maßnahme können zudem ungerechte Verteilungseffekte haben. Diese müssten durch teils pauschale, teils gezielte soziale Ausgleichsmaßnahmen kompensiert werden, und zwar ohne dabei die Emissionsminderung zu sabotieren. Das ist möglich. Man muss dafür aber rechnen und denken können. Und man muss das Gemeinwohl als ganzes im Auge behalten.

In der Realität ist etwas völlig anderes geschehen. Man hat so getan, als wäre der Klimaschutz in Deutschland ein spezifisches Anliegen der Grünen, das die ›industrielle Basis‹ des Landes und den Wohlstand der Bevölkerung gefährdet, und die beiden anderen Parteien haben sich entsprechend systematisch um Bremsung und Blockade bemüht. Das Gebäudeenergiegesetz ist in diesem Zusammenhang nur eine besonders idiotische Episode. Der Emissionshandel als Kernelement der EU-Klimapolitik kommt in der öffentlichen Diskussion nur selten vor und man gewinnt den Eindruck, dass die Logik von Emissionsbepreisung und Klimageld weder in den Parteien noch in der Bevölkerung noch im journalistischen Milieu überhaupt verstanden wird. Das ist symptomatisch für die Lage, in der sich Deutschland jetzt beim Klimaschutz befindet.

Eine zielbewusst agierende und kooperierende Ampelregierung hätte vieles richtig machen können, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie dabei eine große Mehrheit der Bevölkerung hätte ›mitnehmen‹ können, auch ohne alle explizit dort ›abzuholen‹, wo sie gerade stehen oder stehen geblieben sind. Eine positive Einstellung zur Transformation als gemeinsamer Aufgabe ist nicht zuletzt ein Phänomen der Diskursatmosphäre. Und eine solche Atmosphäre liegt in der Verantwortung der politischen Akteure.

Die politischen Akteure bis hinauf zum Bundeskanzler müssen aber wohl der Auffassung gewesen sein, dass ihre Verantwortung darin bestehe, vorhandene Stimmungen zu sondieren und ohne Rücksicht auf Zukunft und Gemeinwohl parteipolitisches Kapital daraus zu schlagen. Und in Deutschland ist die Angst vor Veränderung und eventuellen Wohlstandseinbußen so präsent, dass das lautverstärkende Nachplappern dieser Ängste und das Ummünzen in eine Transformationsblockade ihnen als aussichtsreichstes Geschäftsmodell erschienen sein muss.

In den Disziplinen der Verblödung und Verrohung wie auch der Irrealisierung der Weltwahrnehmung ist aber die AfD ohnehin führend. Ein Konkurrieren auf diesem Feld wird nicht erfolgreich sein.

Eine realistische, verantwortliche Politik muss reale Probleme identifizieren, muss darüber befinden, welche davon Gegenstand von politischem Handeln sein könnnen, muss verschiedene mögliche Lösungen präsentieren und sie schließlich, meistens im Kompromiss, ›angehen‹. Inzwischen ist leider unklar, ob noch irgendeine der im Bundestag vertretenen Parteien diese recht einfache Aufgabenbeschreibung akzeptiert.

 

 

Klima-Shortcut #2: Emissionshandel

Der Emissionshandel ist unter allen Instrumenten der Klimapolitik das logisch einfachste und effizienteste:

Nationale Behörden innerhalb der EU-Mitgliedstaaten versteigern Emissionsrechte an einen bestimmten Kreis von Adressaten; im Falle des EU-Emissionshandels sind das in der Hauptsache Betreiber industrieller Anlagen und in der zweiten Stufe ab 2027 (EU-ETS II) auch ›Inverkehrbringer‹, also Händler von fossilen Brennstoffen. Diese Adressaten geben zum einen die Kosten für die erworbenen Zertifikate an ihre Kunden weiter, zum anderen können sie je nach Bedarf Zertifikate an der Börse kaufen oder verkaufen. Infolgedessen bildet sich ein Marktpreis für Emissionsrechte, der sich in den Endverbraucherpreisen, etwa im Benzin-, Heizöl- und Erdgaspreis, aber auch in den Preisen sonstiger industriell hergestellter Konsumgüter abbildet.

Im Vergleich mit Instrumenten der Regulierung oder Investitionsförderung, wie sie etwa das Gebäudeenergiegesetz enthält, hat ein solches Bepreisungssystem den Vorteil, dass die wirtschaftlichen Akteure, also etwa Unternehmen und Verbraucher, nunmehr selbst entscheiden können, ob, wann und wie sich welche konkreten Maßnahmen zur Emissionsminderung für sie lohnen. Diejenigen Maßnahmen, die zu den geringsten Kosten umzusetzen sind, erfolgen zuerst.

Der Staat braucht auf dieser konkreten Ebene einstweilen nicht einzugreifen, zumal er das dazu nötige Detailwissen über die Situation der einzelnen Unternehmen und der einzelnen Verbraucher auch gar nicht hat. Er sorgt nur dafür, dass die (als Cap bezeichnete) Gesamtmenge der für einen bestimmten Zeitraum versteigerten Emissionszertifikate den politisch festgelegten Minderungszielen entspricht. Es entsteht also ein Automatismus der Emissionsminderung, der den einzelnen Wirtschaftssubjekten relativ viel Entscheidungsfreiheit lässt.

Einerseits wird die Verursachung von klimaschädlichen Emissionen auf diese Weise mit zusätzlichen Kosten belastet – das ist Sinn und Zweck der Bepreisung. Andererseits generiert der Staat durch die Versteigerung der Zertifikate jährliche Einnahmen in mindestens zweistelliger Milliardenhöhe. Würden diese Einnahmen in den Bundeshaushalt fließen, so hätte man es einfach mit einer gravierenden Besteuerung zu tun. In der ursprünglichen Logik des Systems liegt es hingegen, die Einnahmen entweder zweckgebunden für spezifische Klimaschutz-Investitionen (also etwa Investitions- und Forschungsförderung) zu verwenden oder sie als Pro-Kopf-Klimageld an die Bürger:innen zurückzuzahlen.

Die Idee des Klimageldes mag auf den ersten Blick merkwürdig erscheinen, weil das Geld irgendwie im Kreis zu fließen scheint: Was durch die Bepreisung mit der einen Hand genommen wird, wird mit der anderen zurückgegeben. Tatsächlich ist es aber so, dass einkommensstärkere Privathaushalte im Durchschnitt mehr Emissionen verursachen, also auch durch die Bepreisung stärker belastet werden als ärmere Haushalte. Das Pro-Kopf-Klimageld würde also im Durchschnitt eine soziale Umverteilung von oben nach unten bewirken – zusätzlich zu dem Haupteffekt des CO2-Preises, der darin besteht, dass klimaschädliche Konsumgewohnheiten unattraktiver werden.

Dass ich die Grundideen des Emissionshandels und des Klimageldes hier quasi didaktisch dargestellt habe, liegt daran, dass sie in der öffentlichen politischen Diskussion völlig unzureichend präsent sind, obwohl sie zum Kernbereich der EU-Klimapolitik gehören. Für diese Diskrepanz dürfte es politische und gesellschaftliche Gründe geben, die in weiteren Beiträgen erörtert werden sollen.