Das FAZ-Magazin von Juni 2015 hat den Schwerpunkt ›Outdoor‹. Über das Heft als ganzes ist kein Wort zu verlieren, aber das lange Interview mit dem »Everest-Bergsteiger und ehemaligen Deuter-Geschäftsführer« Bernd Kullmann ist lesenswert, nämlich in einigen Zügen amüsant und in vieler Hinsicht ambivalent, was hier jetzt mal als eine positive Charakterisierung gelten darf. Es gibt aber Stellen in diesem Interview, die zu spitzen Bemerkungen reizen. Ich greife nur eine heraus.
Auf die Frage »Ist Bergsteigen eine Lebensschule?« antwortet Kullmann: »Ich finde schon. Man lernt beim Bergsteigen, sich durchzubeißen. Es gibt diesen Spruch: Go hard or go home. So ist die Wirtschaft heute. Entweder ich mache was richtig oder gar nicht. Wenn der Schalter nicht voll auf ›Go!‹ steht, geht es nicht.« (S. 21)
Die ›Lebensschule‹ wird also als Wirtschaftsschule verstanden. Wäre das anders, könnte Kullmanns Antwort beim heutigen Stand der gesellschaftlichen Work-Life-Balance leicht die Gegenfrage provozieren, ob die konstatierte Analogie der mentalen Anforderungen nun für oder gegen das Bergsteigen spreche. Denn dass die Outdoor-Tätigkeit der Performance im Beruf zuträglich sei, ist zwar eine ›gerne genommene‹ Intuition des gegenwärtigen Zeitalters, die nicht nur von Unternehmern, sondern auch von Angestellten immer mal wie eine frohe Botschaft verkündet wird; sachlich oder historisch betrachtet ist es aber nicht selbstverständlich.
Man könnte also auf die Interviewfrage auch antworten: »Ja, eine Lebensschule. Das Bergsteigen, so anspruchsvoll es sein mag, ist reine Muße, denn der Berg steht ja ebenfalls nur müßig in der Gegend herum und wartet darauf, dass er bestiegen wird, ›weil er da ist‹, wie George Mallory es ausgedrückt hat. Wenn uns der Berg nicht lehren würde, dass es noch etwas anderes gibt als das, was wir als unsere Arbeit betrachten, dann wären wir unserer Wirtschaftsreligion völlig ausgeliefert. Der Berg lehrt uns aber, dass wir uns distanzieren können. In diesem Sinne ist das Bergsteigen eine Lebensschule.«