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Klima-Shortcut #5: Was ist Populismus?

Der Begriff ›Populismus‹ ist inzwischen mehrmals vorgekommen. Deshalb soll erklärt werden, wie er hier verwendet wird.

Populismus ist die Strategie, die eigene politische Position so zu gestalten, dass sie bei einer möglichst großen Zahl von Menschen auf unmittelbare Zustimmung stößt.

Der Name rührt daher, dass in einer solchen Strategie explizit oder implizit ›das Volk‹ angesprochen wird: als vermeintliche oder wirkliche Mehrheit, als ›einfacher Bürger‹ oder auch als besonders qualifizierte Teilmenge der Bevölkerung, die sich durch ihre Zustimmung als das ›wahre Volk‹ erweist, etwa in Absetzung von ›urbanen Eliten‹ und anderen Bevölkerungsteilen, die explizit oder implizit aus diesem ›Volk‹ ausgeschlossen werden.

Da demokratische Politik regelmäßig darauf abzielt, Mehrheiten für bestimmte politische Ziele zu gewinnen, also unterschiedliche Menschen zu gemeinsamer Zustimmung zu motivieren, ist Populismus nicht per se antidemokratisch, sondern steht in einem Verwandtschafts- und Spannungsverhältnis zu demokratischer Politik.

Allerdings unterscheidet sich die populistische Strategie von anderen Strategien der Mehrheitsfindung dadurch, dass sie auf unmittelbare Zustimmung abzielt. Deshalb werden bevorzugt aktuelle Stimmungen oder kollektive Ängste und Bedürfnisse aufgegriffen, durch die Art der Ansprache bestätigt und verstärkt und kurzfristig zu einem politischen Konsens verdichtet.

Der Vorzug solcher Strategien ist ihre Einfachheit. Komplizierte Dinge wie gesellschaftliche Interessendifferenzen, Minderheitenrechte, Verfassungsprinzipien oder Zukunftsperspektiven des Gemeinwesens spielen hier möglichst keine Rolle. Überhaupt tendiert der Populismus dazu, Aushandlungsprozesse zu überspringen und Unbedachtes als Ausdruck des gesunden Menschenverstandes zu präsentieren. Dieses Reflexionsdefizit ist gewissermaßen seine Natur.

Angesichts der bundesdeutschen Parteiendemokratie und ihrer ›Klimapolitik‹ kann man als Beobachter zudem auf die Idee kommen, zwischen bloß taktischem und essenziellem, sozusagen eingefleischtem Populismus zu unterscheiden. Bloß taktisch wäre der Populismus dann, wenn die Vereinfachung der Botschaft dazu dienen würde, Zustimmung für etwas zu erlangen, das jemand vorher durchdacht hat und für richtig hält. Essenzieller Populismus bedeutet hingegen, dass es gar kein verantwortliches Durchdenken und keine Überzeugungen mehr gibt, sondern nur noch eine Suche nach tagesaktuellen Stimmungsmehrheiten, die dann als Machtbasis für x-beliebige Parteipolitik dienen sollen.

Das Tragische an der gegenwärtigen Situation ist, dass sich die Parteien der Mitte angesichts der Herausforderung durch den Rechtspopulismus ihrerseits auf den Weg des essenziellen Populismus begeben haben. Das erklärt, wieso sie sich zwar gerne rhetorisch zu Klimazielen bekennen, zugleich aber real wirksame Maßnahmen in jedem Einzelfall sabotieren. Diese ›in sich widersprüchliche‹ Politik ist lediglich eine populistische Eins-zu-eins-Abbildung dessen, was die Bevölkerungsmehrheit ebenfalls denkt: dass nämlich das Klima zwar geschützt werden soll, aber ganz gewiss nicht durch eine politisch organisierte Dekarbonisierung der eigenen Lebensweise.

 

 

Klima-Shortcut #4: Demokratie und Klimaschutz

Eine demokratisch durchsetzungsfähige Klimapolitik müsste von der mehrheitlichen Einsicht ausgehen, dass die Dekarbonisierung eine zwar alternativlose, aber gestaltbare Transformation ist, in der es zu Verlust- und Gewinnerfahrungen unterschiedlichster Art kommen wird. Konsumgewohnheiten, Reiseverhalten, Ernährung, Wohnen und dergleichen werden sich irgendwie ändern. Manches wird sehr ungelegen kommen, manches andere wird unerwartet geschätzt werden.

Wenn man bei der Beschreibung dieser Transformation vor allem auf Verzicht und Kosten abhebt, befindet man sich auf einem falschen Denkweg, aber auf einem falschen Denkweg befindet man sich auch dann, wenn man suggeriert, es handele sich nur um einige technische Korrekturen etwa an der Antriebsart von Fahrzeugen, also um eine technische Verschönerung der Welt, während ansonsten die Wirtschaftsweise insgesamt unverändert bleiben könne.

Von dieser Einsicht in das Ausmaß, die Ambivalenzen, die Differenziertheit und Gestaltbarkeit der Transformation ist man derzeit in Deutschland weit entfernt. Deshalb wird es einstweilen gar keine erfolgreiche und zugleich demokratisch organisierte Klimapolitik geben. Politik und Öffentlichkeit befinden sich gewissermaßen in einer Transformationsstarre, die durch ein Zusammenspiel von Wohlstandspanik und habituell gewordener Zukunftsunlust in der Bevölkerung, populistischer Verlogenheit und milieubedingter Verengung der Parteipolitiken andererseits erzeugt worden ist.

Die Klimakrise war für eine ganze Weile das kollektive Gefühl, dass etwas geschehen müsse; inzwischen ist sie das Gefühl, dass etwas hätte geschehen müssen, das aber lieber doch nicht geschehen soll, weshalb man am liebsten das ganze Gefühl zu den Akten legen möchte.

So wird das also einstweilen nichts. Es würde schon gehen, aber es geht nicht.

In welche Zukunft eine mental so verfasste Gesellschaft hineintreibt, wird sich noch zeigen. Dabei ist zu bedenken, dass sich bestimmte technisch-physikalische Elemente der Transformation voraussichtlich auch ohne Beteiligung eines kollektiven Willens durchsetzen werden, und zwar gerade solche Elemente, die in Deutschland besonders umstritten sind. Dazu zählen etwa der batterieelektrische Antrieb beim ›Personenkraftwagen‹ und der Vorrang erneuerbarer Energien bei der Stromerzeugung. Sich den herbeigesehnten Verzicht auf eine Vorreiterrolle in diesen Feldern industriepolitisch als eine Strategie zum Schutz des nationalen Wohlstandes zurechtzulegen, ist gewagt, steht aber für die sich ausbreitende Hoffnung, dass am ›mecklenburgischen Wesen‹ – also am trotzigen Stillstand – einmal die Welt genesen wird.