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Klima-Shortcut #3: Der Preis als Zauberstab

Preise sind wirksame Verhaltensmotive, wirksamer jedenfalls als moralische Überzeugungen.

Während die moralische Überzeugung, dass wir alle etwas für den Klimaschutz tun sollten, vor allem die Funktion hat, bei demjenigen, der sie ausspricht, ein Wohlbefinden zu erzeugen, hat ein hoher Preis beispielsweise den Effekt, dass sich jemand gegen einen bestimmten Konsumakt und für einen anderen entscheidet. Das ist ziemlich banal und lässt sich beim Betrachten des eigenen Verhaltens leicht nachvollziehen. Wenn Hafermilch wesentlich billiger wäre als gewöhnliche Kuhmilch, würde für jemanden wie mich, der ungefähr 500 Liter Milch im Jahr verbraucht, die Umstellung im Alltag unversehens zu einem ›interessanten Projekt‹. Genauso bewirkt ein plötzlich ansteigender Benzinpreis auch bei jemandem, der mit ökologischen Motiven gar nichts am Hut hat, eine Zurückhaltung bei offensichtlich überflüssigen Autofahrten.

Eine Gestaltung der Preisstrukturen von Konsumgütern kann also Dekarbonisierungseffekte haben, ohne dass irgendeine darin liegende Moralität explizit anerkannt und bei der einzelnen Entscheidung explizit berücksichtigt werden müsste.

Derzeit ist es so, dass die Preise vieler Konsumgüter die klimaschädlichen Emissionen, die mit ihrem Konsum verbunden sind, nicht widerspiegeln. Solange die Emission als solche keinen Preis hat, ist es gewissermaßen ›die Natur‹ oder die Atmosphäre, die den Konsum ›subventioniert‹, indem sie den entstandenen Schaden klaglos auf sich nimmt. Und insofern diese ›Natur‹ der Lebensraum zukünftiger Menschen ist, findet mit dem gegenwärtigen ›Raubbau‹ ein Ressourcentransfer von den zukünftigen zu den gegenwärtig lebenden Menschen statt.

Dieses Ding, dass es Zukunft für andere Menschen geben soll und dass zukünftige Lebensqualität nicht egal ist, ist eigentlich das einzige moralische Argument in dieser Überlegung. Wenn man es anerkennt, macht die Bepreisung von Emissionen Sinn. Sie ist sozusagen die allgemeinste Art und Weise, unserer ›Zukunftsverantwortung‹ oder – weniger pathetisch – dem ›natürlichen Zukunftsbezug‹ unserer Wirtschaftsweise eine Form zu geben.

Dass die sozialen Gerechtigkeitsfragen, die mit der Bepreisung verbunden sind, hier nicht mitverhandelt werden, ist übrigens dem Shortcut-Format geschuldet: Jeder Beitrag konzentriert sich auf einen einzelnen Gedanken.

Klima-Shortcut #1: Heute keine Klimakatastrophe

Das Interesse des Publikums am Thema Klimawandel hat zuletzt stark nachgelassen. Als Klimawissenschaftlerin könnte man sich darüber wundern, aber die Wahrheit wird wohl sein, dass die Konjunktur politischer Themen einer Logik des Populismus folgt, die der Logik des Warenkonsums ähnelt. Man beschäftigt sich also mit einem solchen Thema, solange damit irgendeine Art von Wohlbefinden verbunden ist, sei es auch in Form von gemeinsamer Empörung und Erregung.

Derzeit ist das gerade nicht der Fall. Das Publikum hat bei diesem Thema nichts mehr zu gewinnen. Besorgnis und viel guter Wille wurden bereits gemeinsam zum Ausdruck gebracht. Aber dann hat sich herausgestellt, dass jede realistische Klimaschutzpolitik einen Preis haben wird. Nicht unbedingt in Gestalt von berechenbaren pekuniären Kosten für jeden Einzelnen, wohl aber in Gestalt von Transformationen des eigenen Konsumverhaltens, seien sie nun durch gesetzliche Regulierungen oder durch Bepreisung von Emissionen herbeigeführt. Heizung, Haus, Urlaub, Auto, Fleisch und Milch: Überall droht Veränderung, irgendwann.

Und da man diese Veränderungen nicht en passant selbst gestalten kann (wie man etwa eine dieser Bambuszahnbürsten kaufen könnte, um sich wohlzufühlen), wendet man sich mit Grausen von dem Thema ab. Und auch von denjenigen politischen Parteien, die das Thema üblicherweise vermarkten.